Dunkelwort p.16

Öffne jetzt die Hände
nochmals in meinen,
deine nacktesten Hände:
von dir zu mir,
was flehen sie?

In der Handfläche
dehnt sich die Welt,
die versammelte Welt:
Genauigkeit der letzten Tage.

Die müden Adern pulsieren
zwischen zwei Händen gespannt
unter elektrischen Hieben.
Die Hochspannungskabel fliegen
durch einen dunklen Gang,
auf noch warmen, doch dunklen
Bildschirmen
unter den Trümmern des Hauses
im Innern der Welt.

Auf dem hellen Stein
der Stille, auf dem harten
Stein der Dunkelheit
trommelt der Regen.

Jetzt kenn ich all das:
meinen Körper, diese tödliche Dosis
– aber ich bleibe nur noch mein Ort,
erahne nur die letzte Antwort.

 

Dunkelwort, Berlin 2019 (Ger).
ISBN 978-1704898629
Presented at Stadtsprachen Literaturfestival, Berlin 2016.
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Dunkelwort p.19

Zeig du mir das Wort,
kein Wort der Welt
sah ich, das Raumwort,
das Zeitwort – wie heißen sie? –
ihren endlosen Klang.

Entweder Tod oder Stein:
leichter auch in unserer
dunklen Sprache.

Für diesen letzten Blick
halte ich einfache Reime fern.
Unsere Ohren sollen kleine
Ruhegehäuse sein.

Der Atem erstarrt
und kein Wort
kann ich mehr sagen.
Errätst du es noch nicht?

Wer die Wörter schuf
sprach die Welt aus.
Dunkelwort, Berlin 2019 (Ger).
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Dunkelwort p.20

Letztes erloschenes Wort
über den Schreibtischen,
Schneestreifen in der Ruhe
um staatenlose Ruinen.
Die Stadt, ein verlassener Kreis.
Dann legt sich eine Hand
um diese offene Wunde.
Die Welt schläft.
Sie weiß es schon.

 

Dunkelwort, Berlin 2019 (Ger).
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Dunkelwort p.23

Wo Licht ist, ist Dunkelheit
gleich meinen Händen,
nachts, am Weltrand.

Es weitet sich in uns aus
und hinterm Quantenschild
der Ungewissheit
will es als kleines Fragment
des Atems in die Atomstruktur
zurück.

Zwischen zwei stillen Sterben
gebiert ein abgedunkeltes Leben
sich selbst im Augenblick der Welten,
in einem Puls der Planck-Zeit,
oder kaum weniger,
Zeitlücke, Zeitsplitter.

 

Dunkelwort, Berlin 2019 (Ger).
ISBN 978-1704898629
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Dunkelwort p.24

Wieder halten wir beide
dieselbe Rede:
ich danach,
du zuerst.

Am Waldrand
ersticken Hände
Glocken,
die leeren Kehlen
der Vögel.

Folge mir in die Stille!
Wieder ist die Erde ruhig.
Stimme und Stille
sind reiner denn je.

Das Unsägliche herrscht
– mein Mund
den Wörtern gefügig
und vor dem ersten Wort
das letzte.

 

Dunkelwort, Berlin 2019 (Ger).
ISBN 978-1704898629
Presented at Stadtsprachen Literaturfestival, Berlin 2016.
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Dunkelwort

Das Wort gebiert sich selbst,
zerreißt die Siegel weniger Töne.
Es springt allein in uns auf,
es verlässt unseren Mund nie,
es ist die Saite unsrer Stimme.

Wir werden Wörter sein.

*

Du weißt,
wo die Wörter liegen
– aus verschwundenen Silben
wehen die Wunden.

Leise, ihr Winde!

Es sind die Knochen des Baumes,
in denen die Toten knospen.

*

In einem Lüftchen:
der Kreis einer Blume,
der verblühte Schrei
zwischen den Welten,
gegen den Atem der Zeit.

Es gibt kein Gesicht.
Die leere Mitte des Spiegels
weitet sich nach dem Licht.
Was ist es sonst, als feine Risse
zwischen Sache und Name?

Die Leere gebiert sich selbst,
die Welt unterscheidet die Teile
– sie liegen in Lichtlinien.

Lege die Worte in die Wunde,
in den blinden Stern der Sehnsucht.

So fallen die Toten,
so atmen die Steine
auf der schwarzen Träne.

*

Vollzieh es nicht ganz
unterm vieläugigen Licht,
über dem Glanz einer Träne
diesseits des Sterbens.

Nicht das Wort hat dir
die Narben aufgetrennt.

Die Worte schweigen
in allen Wunden,
sie lernen sterben
um alle Stimmen herum.

Eine Dunkelheit,
dunkler als die deinige,
haben sie bereits
erhellt.

Dunkelwort
hast du gesprochen,
von jetzt an
hat das Dunkel eine Sprache.

So seien es die Worte,
die dich abschirmen,
alsbald der Tag licht.

*

Dies ist die Kurve des Auges,
der blinde Spiegel der Zeit.

Aus der Sicht eines Auges,
wäre ich etwas?
Zwei Apfelhälften?

Zwei starre Augen im Leeren.
Sie überschreiten den Spiegel nie.

Nichts macht so einsam
wie das Wort
Wirklichkeit.


Dunkelwort (e altre poesie), with an essay by Marta Vilardaga, Morrisville 2015, (Ger-It). ISBN: 978-1326223373
Presented at Stadtsprachen Literaturfestival, Berlin 2016.
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Stanze dei non risorti p.107

Dov’è
l’ora della morte,
il buco vuoto intorno
al vuoto del pensiero,
la cruna, l’ago, l’antro
nero in cui ci guida
il fiato? L’ammutolito
oracolo, che mastica
la cenere, rimugina
la polvere: qual è
il suo responso,
o tergiversa su una
scaglia d’osso? Com’è
il soffio, il lampo sulla
retina tornata tersa e dove
l’arto inutilmente teso
a indicare infine il dio
scomparso, l’aspra
sorte a scapito dell’avida
fortuna? Quand’è la morte
intatta nel dolore, da cui
l’intera vita ci discosta?


Stanze dei non risorti in Dunkelwort (e altre poesie), with an essay by Marta Vilardaga, lulu.com, Morrisville 2015, (Ger-It). ISBN: 978-1326223373
Presented at Stadtsprachen Literaturfestival, Berlin 2016.
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Stanze dei non risorti p.99

Questa è l’impronta premuta
sotto la neve di una vita intera,
che si dirada nel turbine fitto
di tracce nel vuoto. Il vento
non spazza là sotto la terra,
non c’è distanza tra l’ultimo
e il primo: nessuno ci guida,
ma lì non si capita a caso
e nel vuoto la meta è altro
vuoto. Solo la morte, scavando,
tocca l’altezza del vuoto.


Stanze dei non risorti in Dunkelwort (e altre poesie), with an essay by Marta Vilardaga, lulu.com, Morrisville 2015, (Ger-It). ISBN: 978-1326223373
Presented at Stadtsprachen Literaturfestival, Berlin 2016.
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